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!H - Der Hugo unsere Gemeindewährung

.... weil Geld Menschenwerk ist, können wir seine Funktion bessern

 

In unserer Gemeinde gibt es bereits seit einiger Zeit Überlegungen, eine eigene Währung, eigenes Geld, den Hugo (!H) einzuführen.

Der Hugo soll auch helfen, Aufmerksamkeit auf solche Tätigkeiten zu lenken, die für das Gemeindeleben notwendig sind, aber leicht übersehen werden. Und die Gemeindewährung soll ermöglichen, wofür manchem das Geld fehlt – dies könnte z.B. ein ermäßigter (Euro-)Beitrag für eine Gemeindefreizeit u.v.a.m. sein.

Die Gemeindewährung wird funktionieren, wenn Gegenleistungen der Gemeinde, durch Gemeindemitglieder geleistet oder aus einem Euro-Topf finanziert werden. Hierzu sammeln wir Kollekten und hierfür darf auch gerne extra gespendet werden. Aber der Hugo soll auch den Austausch von Gaben unter Gemeindemitglieder fördern.

 

 

Der Hugo, unsere Gemeindewährung - Das Konzept

 

Hugo-Punkt 1:

Ein Hugo (Abkürzung: !H) = eine Stunde geschenkte Arbeitszeit.

Eine Währung mit dem Namen Hugo? - Der Name ist von den Hugenotten abgeleitet, die unsere reformierte Gemeinde gegründet haben.

Und warum wollen wir eine eigene Währung haben? - Es geht bei der Gemeindewährung darum, deutlich zu machen, dass unsere Gemeinde davon lebt, dass Menschen ihr Engagement und ihre Zeit in die Gemeinschaft einbringen – eben „Arbeitszeit“. Denn auch wenn das Meiste Freude macht, so müssen doch auch Dinge getan werden, die weniger geliebt werden:  Kirche putzen, Toiletten reinigen, Mülltüten besorgen, Behördenbriefe schreiben, Konten verwalten usw.

Das ist Arbeit – auch wenn sie nicht bezahlt ist:  Arbeit für die Gemeinschaft, Freiwilligenarbeit, ein Geschenk für die Mitmenschen. Der Hugo ist dazu gedacht, diese Leistung sichtbar zu machen, ein Dankeschön für die geschenkte Stunde Arbeit.

Der Hugo ist ein Experiment. Wir versuchen damit neue Wege zu gehen, Gemeinschaft zu gestalten, indem wir eine „Kultur des Schenkens“ pflegen.

 

Hugo-Punkt 2:

Die Gemeinde verteilt Hugos als Anerkennung für geschenkte Arbeitszeit. Als Idee geht es um „gefühlte Arbeitszeit“ (keine exakte Zeiteinheit).

Der Hugo ist wie eine Urkunde, eine Medaille, die für besonderes ehrenamtliches Engagement  verliehen wird – nur nicht so steif und ernst, sondern viel spielerischer und experimenteller. Und es soll keine einmalige Würdigung bleiben, sondern uns im Alltag immer wieder daran erinnern, wie dankbar wir für die Gemeinschaft sein können, in der jede und jeder entsprechend den eigenen Möglichkeiten mithilft. Es geht nicht darum, jeden Einsatz genau gegenzurechnen, deswegen „gefühlt“: die Einheit bleibt bewusst etwas vage und kann mitunter davon abhängen, wie belastend oder wie leicht eine Arbeit vonstatten geht. Ein Stunde Toiletten reinigen kann gleichbedeutend sein mit drei Stunden Tempelwache, die ja durch angenehme Gespräche und Mußezeiten geprägt ist. Außerdem braucht mancher für dieselbe „Arbeitseinheit“ länger als jemand anders. So wird auch dieses berücksichtigt. Exakte Preise sind eh eine sehr westliche Vorstellung. In anderen Kulturen sind Preise immer an die soziale Situation und das konkrete Gegenüber gebunden. Bei den Tolai in Papua-Neuguinea begleicht man zudem den Preis nie exakt, sondern lässt einen Teil der Rechnung offen, damit man einen Grund hat, sich wieder zu begegnen.

 

Hugo-Punkt 3:

Gemeindemitglieder können sich untereinander mit Hugos gegenseitig Arbeitszeit schenken.

Das, was zwischen der Gemeinde als Ganzes und ihren Mitgliedern gedacht ist – man schenkt der Gemeinschaft etwas, indem man sich um notwendige oder erwünschte Arbeiten kümmert – darf auch gerne zwischen den Gemeindemitgliedern geschehen. Das Gemeindeleben wird auch dadurch reicher, wenn man sich gegenseitig hilft:  die eine repariert das Fahrrad, der andere backt einen Kuchen, wieder jemand anderes hilft ein Bild an der Wand anzubringen usw.

Wie in einem Tauschring können mit den Hugos solche kleineren Arbeiten untereinander getauscht werden. Unter Freunden geht dies natürlich noch unkomplizierter, und das soll auch so bleiben. Aber möglicherweise kann der Hugo eine kleine, aber entscheidende Hilfestellung sein, auch mal einer Person zu helfen, die man nicht so gut kennt oder nicht ganz so sympathisch findet. Übrigens nicht nur als Anreiz für denjenigen, der hilft, sondern auch um es der anderen Person leichter zu machen, die Hilfe anzunehmen. Bei der japanischen Pflegewährung Fureai Kippu ist das ein entscheidender Punkt. Für die japanischen Senioren wäre es beschämend, wenn sie die Hilfe einfach ohne – wenigstens symbolische – Gegenleistung annehmen würden.

Auch hier muss der Hugo nicht exakt getauscht werden, er kann einfach ein symbolisches Dankeschön sein. Und wenn er irgendwann überflüssig ist, weil man sich selbstverständlich einfach so hilft – na prima!

 

Hugo-Punkt 4:

Hugos werden nicht zur Entlohnung verwendet, d.h. es besteht kein Anspruch auf eine Gegenleistung durch die Gemeinde. ABER: Die Gemeinde kann entsprechend ihren Möglichkeiten Geschenke für Hugos anbieten.

Es bleibt dabei, dass unsere Gemeinde vom ehrenamtlichen Engagement vieler lebt. Die Gemeindewährung ist kein Lohnersatz. Wenn unsere Gemeinde genug Euros hätte, könnte sie natürlich eine Küsterin, einen Gemeindesekretär usw. einstellen. Da hierfür keine Euros da sind, kann die Gemeinde sich auch nicht zu geldwerten Gegenleistungen für die Hugos verpflichten. Aber soweit Möglichkeiten bestehen – und die hängen davon ab, wie viele Euros für das Projekt gespendet und als Kollekte gesammelt werden – kann sie Vergünstigungen zurück schenken:  z.B. Karten für Konzerte in der Kirche, Produkte aus dem Weltladen, ermäßigte Teilnahmebeiträge bei Gemeindefreizeiten usw. Die Idee einer eigenen Gemeindewährung entstand nämlich genau aus der Beobachtung, dass es Gemeindemitglieder gibt, die gerne auf eine Freizeit fahren möchten, aber hierfür nicht genug Geld haben. Oder genauer:  nicht genug Euros haben. Eine Lösung wäre nun, dass jemand den Teilnahmebeitrag für sie übernimmt, als Almosen sozusagen. Aber auch jemand, der wenig Euros hat, hat oft andere Fähigkeiten, die sie oder er einbringen kann. Der französische Philosoph André Gorz schrieb einmal: Jeder Mensch ist zahlungsfähig. Denn jeder Mensch hat Fähigkeiten, Fertigkeiten oder Begabungen, die andere brauchen können, wie er auch außerdem seine Fertigkeiten weiterentwickeln und sich weitere aneignen kann, so ihm Gelegenheit dazu geboten wird. Mit diesem 'immateriellen Kapital' tritt er einem Kooperationsring bei. Unser Hugo ist ein solcher Kooperationsring. Koordiniert wird er vom „Hugo-Ausschuss“, der zusammen mit den beteiligten Gemeindegruppen entsprechend der Dringlichkeit und dem Spenden- und Kollektenaufkommen festlegt, für welche Tätigkeiten wie viele Hugos verteilt werden und welche Gegengeschenke dafür möglich sind.

 

Hugo-Punkt 5:

Wer die Arbeitszeit der Gemeinde schenken möchte, kann die Hugos in die Kollekte tun oder sein Gemeindegeld damit bezahlen - so kommen sie wieder in Umlauf. Und die geschenkte Arbeitszeit wird für die Gemeinde sichtbar.

Die Gemeinde bietet, sofern aus der Kollekte und aus Spenden Euros dafür da sind, für die Hugo „Gegengeschenke“ an: ermäßigte Beiträge für Gemeindereisen, Produkte aus dem Weltladen u.ä. Für manche kann dies entscheidend dafür sein, ob sie auf eine Gemeindereise mitfahren können oder nicht. Für andere ist das egal, unter Umständen wollen sie gar kein „Gegengeschenk“ für ihren Arbeitseinsatz. Das ist völlig in Ordnung. Sie können genauso gerne die Hugos in die Kollekte tun oder ihr Gemeindegeld damit bezahlen. Selbst wenn die Gemeinde damit etwas weniger Euro-Einnahmen hätte – sie werden mehr als ausgeglichen durch die Euro-Einsparungen am anderen Ende. Denn wenn sie gemeindeintern eine Handwerker-Stunde (für 10 ) mit einem Hugo würdigt und sie dann in der Kollekte einen Hugo anstelle von 5 € erhält, hat sie sogar 5 € gewonnen. Gleichzeitig wird bei der Kollektenauswertung sichtbar: Die Gemeinde lebt von beidem, von den Geldspenden ebenso wie von den Zeitspenden. Die Herausforderung besteht darin, ein gutes Mischungsverhältnis von beiden zu finden.

 

Hugo-Punkt 6:

Wenn die Gemeinde Einnahmen in der Regionalwährung Havelblüten hat, können Gemeindemitglieder ihre Hugos bei der Gemeinde in Havelblüten umtauschen. Die Gemeinde leistet damit einen Beitrag, dass Arbeitsplätze in der lokalen Wirtschaft erhalten bleiben oder geschaffen werden und die Kaufkraft der Gemeindemitglieder, falls nötig, gestärkt wird.

Der übergeordnete Begriff für den Hugo ist die „Komplementärwährung“ - eine Währung, die komplementär, also ergänzend, zur Hauptwährung, dem Euro, wirkt. Die Potsdamer Regionalwährung Havelblüte ist ebenfalls eine Komplementärwährung. Es macht, zumindest mittelfristig, Sinn, beide miteinander zu verknüpfen. Schon aus Respekt. Die Initiatoren der Havelblüte und der Regionalwährungen allgemein haben das Thema stark gemacht und Aufmerksamkeit dafür erzeugt. Wenn wir nun eine „konkurrierende“ Währung in unserer Gemeinde aufbauen – sie konkurriert nicht direkt mit der Havelblüte, aber doch immerhin um Aufmerksamkeit – so sollten wir fairerweise zur Zusammenarbeit bereit sein. Dies ist auch eins der Qualitätskriterien, die der Regiogeld-Verband definiert hat. Es wäre auch im Sinne derjenigen Gemeindemitglieder, die ein Zusatzeinkommen, und sei es noch so klein, gut gebrauchen können. Mit den Havelblüten können sie sich Produkte aus dem Bio- oder Regionalladen leisten oder ins Kino gehen, nicht aber zu Aldi oder Lidl. Nicht zu vergessen:  Die Gemeinde zeigt so, dass sie nicht abgehoben ist, sondern sich für die lokalen Belange in der Stadt engagiert. Praktisch machbar wird dies, wenn die Gemeinde selbst Einnahmen in Havelblüten hat, z.B. für Konzerteintritt oder die Raummiete für die Kirche. Die Havelblüten können dann im Tausch gegen Hugos an Gemeindemitglieder, die daran Interesse haben, verteilt werden. Es reicht zunächst, die Anknüpfung an die Regionalwährung als späteren Schritt anzupeilen.

 

Hugo-Punkt 7:

Die (Arbeits-)Zeit bildet den Orientierungswert für den Hugo:  1 !H = ca. 1 Stunde.

Daher gibt es keinen festen Umtauschkurs zum Euro, sondern der Eurowert kann je nach Situation - unter Umständen sehr stark – schwanken.

Die Stärke des Hugos besteht darin, dass es keine feste Kopplung an den Euro gibt. Dies ist sogar aus rechtlichen Gründen sehr sinnvoll, da sonst nach der neuen EU-Zahlungsdiensterichtlinie eine Anbindung an ein Zahlungsinstitut erforderlich wäre. Es soll auch gar nicht der Eindruck entstehen, das Verteilen von Hugos sei dazu gedacht, den Euro-Stundenlohn zu drücken. Wir wollen vielmehr eine soziale Währung entwickeln, die ihren Wert in der jeweiligen konkreten Situation und Person erhält. Euros, Dollars sind anonym. Sie funktionieren reibungslos. Ist das Geschäft getan, geht man auseinander und muss sich nie wiedersehen. So soll es in unserer Gemeinde nicht sein. Unser gegenseitiges Geben und Nehmen soll nicht anonym, nicht reibungslos und nicht auf den Moment beschränkt, sondern in die Zukunft gerichtet sein. Daher hat der Hugo auch keinen festgelegten Gegenwert, sondern dieser variiert entsprechend der Situation. Die Zeit bietet dafür eine gewisse Orientierung. Aber selbst in der Euro-Wirtschaft wird eine Arbeitsstunde ja sehr unterschiedlich entlohnt, mal mit 5 €, mal mit 100 €. Mit dem Hugo wollen wir diese Ungleichheit ein kleines bisschen korrigieren.

Dr.Krister Volkmann

 

 

 

Bund für wirtschaftliche und ökologische Gerechtigkeit 

Hauptversammlung des Reformierten Weltbundes (jetzt Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen)

 

Aktionsladen Eine Welt 

... denn es muss sich noch viel ändern im Land

 

Hartz IV: Arbeitslosengeld II (Alg II)

Niedriglohnsektor ? - es geht nicht um Geometrie, sondern um entwürdigte Menschen

 

„Ich bin gespannt, wohin das noch führen wird“

Unser Gemeinde-Wiki findet Beachtung - hier in einem ERF-Interview mit Dr.Krister Volkmann

 

Solidarity economy between a focus on the local and a global view Regional currencies in Germany, Austria and Switzerland

Eine Zusammenfassung der Dissertation von Krister Volkmann; eine Grundlage für unser Hugo-Projekt

 

 

   

 

Stand: 19. Februar 2020

 

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