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Johann Sigismund,
Kurfürst von Brandenburg (1572 - 1620)

.... wahrscheinlich ein verkannter brandenburgisch-preußische Herrscher

 

Johann Sigismund wurde am 8.November 1572 in Halle geboren und starb am 2.Januar 1620 im Haus seines Kammerdieners in Berlin. Sein Sarg befindet sich bis auf den Tag im Berliner Dom.

 

Johann Sigismund, Kurfürst von Brandenburg, konvertierte von der lutherischen zur reformierten Form des Protestantismus. Das wird ihm zumeist nicht gut angerechnet und bleibt für manche unverstanden.

Diese Entscheidung ist allerdings eine wesentliche Voraussetzung für die Existenz unserer Gemeinde.

 

Obwohl nachhaltig lutherisch erzogen, wurde Johann Sigismund geradezu bekenntnishaft und leidenschaftlich reformierter Christ. Aber er zwang seine Überzeugung anderen nicht auf, weder seinen Untertanen noch seiner Frau. In einer Zeit konfessioneller Überspanntheit versuchte er, zwischen konfessionellen Gegensätzen zu vermitteln. Der Kurfürst ließ, um sich seiner Bevölkerung zu erklären, sogar ein Glaubensbekenntnis in seinem Namen verfassen, die Confessio sigismundi - Welcher Fürst tat das noch ?

Doch nicht alleine, daß seit Johann Sigismund die preußischen Herrscher Reformierte waren und derlei Neigungen pflegten, mehr noch, das Konfessionsverständnis von Johann Sigismund entwickelte sich zu einem Proprium preußischer Staatsräson, das dann auch Hugenotten den Weg nach Brandenburg-Preußen ebnen half. Selbst Friedrich II. meinte in seinen Denkwürdigkeiten des Hauses Hohenzollern "Gleichwie ein Fluß erst wertvoll werde, wenn er schiffbar sei, so gewinnt brandenburgische Geschichte erst gegen Anfang des 17. Jh. tiefere Bedeutung" - Dank Johann Sigismund.

Um so überraschender ist der schlechte Leumund, den der Fürst gewöhnlich hatte. Ein Trunkenbold sei er gewesen, auch der Jagd und den Tafelfreuden unmäßig zugetan, aufs Ganze gesehen, eher Objekt als Subjekt der Geschichte. Doch derart Stigmata bekommen konfessionalistischen Beigeschmack, sobald unvoreingenommen historische Quellen und der Kontext herangezogen werden.

 

Während der kurfürstliche Lebensstil nicht erkennbar aus dem Rahmen seiner Zeit fiel, waren theologische und literarische Neigungen von Johann Sigismund so ungewöhnlich wie seine Abneigung gegenüber kriegerischen Auseinandersetzungen. Das taugt allerdings wenig zur Glorifizierung preußischer Machtpolitik. Der friedliche Zugewinn des Herzogtums Preußen im Osten war ihm wichtig, dort hielt er sich mit Vorliebe auf, aber der Zugewinn rheinischer Enklaven im Westen machten ihn nicht erkennbar froh, geschweige denn, daß er deren strategische Bedeutung politisch nutzte. Nie machte er sich nach dort auf den Weg. Aber muß ein solcher Charakter vornehmlich als Trunkenbold in Verruf gebracht werden ?

 

Nach der streng lutherischen Schulung durch den Hofprediger des Großvaters zog der kurfürstliche Sproß mit seinem Bruder zur Weiterbildung nach Straßburg. Dort ließen ihn eifrige naturwissenschaftliche, theologische und musische Studien die Enge seiner bisherigen Bildung erkennen. In Straßburg fesselte ihn erstmals auch aufgeschlossenes reformiertes Gedankengut. Das heimische Luthertum schien ihm danach provinziell und konfessionalistisch verengt.

 

Das Studieren muß einigermaßen Wirkung gezeigt haben, denn der Großvater geriet in Soge, der Enkel könne in Straßburg ketzerisch verführt worden sein. So ließ er den 20jährigen am Geburtstag seines Vaters und in dessen Gegenwart ein Revers unterschreiben, in dem ihm die Zusicherung abverlangt wurde, bis ans Lebensende in den lutherischen Bekenntnissen zu verharren.

Gut ein Jahr später heiratete der Prinz Anna von Preußen. Daraufhin führte er jahrelang die schwierigen Geschäfte des geisteskranken Schwiegervaters an dessen Hof in Königsberg

 

Einschneidend war für Johann Sigismund das Jahr 1604 durch seinen längeren Aufenthalt am pfälzischen Hof. In Heidelberg, einer reformierten Hochburg, bekam er grundlegende Impulse durch Pfalzgräfin Luise und reformierte Theologen der Universität. Anschließend zeigte sich Johann Sigismund überzeugt, die reformierten Auffassungen seien gewißer in der Heiligen Schrift begründet als die lutherischen Bekenntnisschriften. Darum fühlte er sich dem großväterlichen Revers nicht länger verpflichtet und überlegte, wie er seine Überzeugung öffentlich bekennen könnte. Politische Rücksichtnahmen und, nicht zuletzt, die Ansichten seiner hartnäckig lutherischen Frau, die in reformierten Bekenntnissen eine Verleugnung der Gottheit Christi zu erkennen meinte, hielten ihn noch davon ab. Nach eigenen Aussagen wurde dem Thronfolger unter diesen zwiespältigen Umständen sein Amtsantritt (1608) zur drückenden Last.

Gleich 1609 mußte der Anspruch auf Vormundschaft für seinen - wahrscheinlich schwer depressiven - Schwiegervater, Herzog Albrecht Friedrich von Preußen, den "blöden Herrn", und die Regentschaft im Herzogtum Preußen erstritten werden. Das geschah ausnahmsweise friedlich auf dem Reichstag von Warschau, insbesondere durch hohes diplomatisches Geschick von Abraham Graf zu Dohna, einem umfassend gebildeten Geistesverwandten des Kurfürsten.

Hinzu kamen bald Streitereien um die Hinterlassenschaft des Herzogs von Jülich-Kleve, die sich über Jahre hinzogen. Die machtbewußte Ehefrau, eine Nichte des Herzogs, konnte Ansprüche geltend machen und hielt den Kurfürsten an, diese durchzusetzen. Am Ende (1618) waren fast nur Rechte gewonnen, die wenig reellen Besitz bedeuteten und die von den seinerzeitigen Großmächten nicht einmal allgemein anerkannt waren. Jedenfalls standen der abgelegene territoriale Gewinn und die politischen Vorteil in keinem Verhältnis zum finanziellen Aufwand der dafür zu erbringen war und der den Kurfürsten zum Schuldner machte. Das sei erwähnt, weil immer wieder spekuliert wurde, Johann Sigismund sei konvertiert, um die fernen Besitzungen zu gewinnen.

 

Die Jahre 1611-13 waren für den jungen Landesherrn, besonders in Preußen, politisch demütigend und durch etliche schmerzliche Kompromisse gekennzeichnet. -- War das ein Auslöser, den inneren Zwiespalt zu überwinden und öffentlich zum reformierten Bekenntnis überzutreten ?

Die Markgrafen Ernst und Johann Georg aus der kurfürstlichen Familie hatten das bereits getan und Johann Sigismund selbst hatte anläßlich seiner Huldigung in der Kur- und Neumark, ohne Widerspruch zu finden, die Verpflichtung auf die Concordienformel – eine betont antireformierte lutherische Bekenntnisschrift – unterlassen. Überdies durfte im Fall seines Übertritts mit der Sympathie vieler Professoren und des Geheimen Staatsrats gerechnet werden. Selbst unter den Hofleuten und sogar im märkischen Adel gab es reformierte Ambitionen. Hierauf vertrauend führte der Kurfürst seinen wohlüberlegten Plan aus.

 

Am 18.Dezember 1613 bestellte Johann Sigismund die Geistlichkeit der Hauptstadt ein und ließ ihr mitteilen, daß, sowenig er gesonnen sei sein Regiment auf die Gewissen der Untertanen auszudehnen, ebenso wenig stehe auch diesen zu, ihrem Herrn seinen Glauben vorschreiben zu wollen.

Am ersten Weihnachtstag feierte der Kurfürst dann mit 54 Gleichgesinnten in der Berliner Domkirche den ersten Gottesdienst samt Abendmahl "ohne päpstliche Zusätze in der Weise, wie es in den Zeiten der Apostel und in den reformierten evangelischen Kirchen gebräuchlich" - ein höchst provokanter unpopulärer Schritt. Ein geschlossener Widerstand der kurbrandenburgischen Stände und der lutherischen Pfarrerschaft war absehbar, aber mehr noch, das reformierte Bekenntnis stand damals noch nicht im Schutz des Augsburger Religionsfriedens (1555).

So ging dann auch trotz Ermahnungen die lutherische Geistlichkeit umgehend zu gehässigen Deutungen der kurfürstlichen Entscheidung über und wiegelte die Bevölkerung auf. Unterstützt wurde sie darin selbst von der Kurfürstengemahlin, die leidenschaftlich für die lutherische Partei eintrat. Im Schloß soll es zu scharfem Wortwechsel gekommen sein.

Auf diese Entwicklung hin veröffentlichte der Kurfürst am 24. Februar 1614 die später als Toleranzedikt titulierte Verordnung, die unter Darlegung seiner Beweggründe, bei Strafandrohung bis hin zur Amtsenthebung, alles Lästern und Schelten anderer Glaubensüberzeugungen verbot. Diesem Edikt folgte im Mai d.J. die später nach ihm benannte Confessio, eine umfassende Darlegung seines Wollens und Strebens.

Johann Sigismund verstand seinen Schritt, ohne Extremen zu zuneigen, als eine Befreiung seines Glaubens von menschlichen, nicht in der Heiligen Schrift begründeten Zusätzen und als Fortführung der Reformation, die erst unter seinem Urgroßvater Kurfürst Joachim II. (1535-1571) nach einigem Hin und Her Eingang in Brandenburg gefunden hatte und provinziell wie konfessionell verengt geblieben war. Johann Sigismund und seine Berater fürchteten zudem, derart Luthertum würde dem wachsenden Druck der Gegenreformation nicht standhalten können.

In seiner Confessio bewertete er auch innerprotestantische Streitigkeiten und kam zu dem Schluß, daß diese überwindbar seien. Er führte weiter aus, daß, obschon er stärker den Auffassungen Calvins zuneige, er doch weit davon entfernt sei, sein Gewissen bloßer menschlicher Autorität unterzuordnen. Mehrfach wies er auf seine Abweichungen zu Calvin hin. Ohne dabei den Namen Calvin zu erwähnen, zitierte er Luther jedoch mehrfach explizit.

 

Johann Sigismund versuchte einiges, um Reformierte und Lutheraner an einen Abendmahlstisch zu bekommen oder gemeinsam beraten zu lassen, wie man dorthin kommen könne. Die lutherische Geistlichkeit verweigerte sich diesen Ansinnen beharrlich.

1614 lud er die hauptstädtischen Pastoren beider Konfessionen ein, in seiner und in Gegenwart von Laien, über strittige Fragen zu disputieren. Ja, er ging so weit, sich zu verpflichtete, sobald man ihn mit der Heiligen Schrift eines Irrtums überführen würde, denselben umgehend zu widerrufen. Doch die lutherischen Pastoren verweigerten sich weiter. Woraufhin 45 von ihnen zum Kurfürsten beordert wurden. Die baten, ihnen die Disputation zu erlassen. Dem wurde unter der Zusicherung stattgegeben, fortan dem Toleranzedikt nachzukommen. Eine Befriedung trat damit nicht ein. In verschiedenen Orten kam es zu Tumulten. Die märkischen Stände traten nachdrücklich für das Luthertum ein und verbanden ihre Zustimmung zu einer Kontribution mit der Forderung an den Herrscher, die Alleingültigkeit der Concordienformel wieder herzustellen. Dem stellte sich der Fürst vehement entgegen und unterstrich, er würde besseren Wissens nicht von seinen Überzeugungen lassen und sollte er durch die verweigerte Kontribution auch tausendmal "in Mangel stehen". So viel Charakter verfehlte seine Wirkung nicht. Die Stände willigten respektvoll ein und baten gar um Entschuldigung.

Als dem Landesherrn dann die Frage vorgelegt wurde, ob er die Kirchen wider den Willen der Gemeinden umzugestalten gedächte, zeigte Kurfürst Johann Sigismund historischer Größe.

Obwohl überzeugt, den Untertanen Besseres zu bieten und mit dem unstrittigen landesherrlichen Recht, dem Grundsatz "Cuius regio, eius religo" des Augsburger Religionsfriedens von 1555 ausgestattet, verzichtete er, die dominierende Kirche seines Landes auf sein Bekenntnis festzulegen. Benachbarte Kollegen hatten diesbezügliches Recht gegen Widerstände mittels Hinrichtungen und Verbannungen erzwungen. Johann Sigismund dagegen ließ ein Edikt fertigen, das jedem Untertanen freistellte bei seinem Bekenntnis zu bleiben. Lutheranern und Reformierten wurde Gleichberechtigung zugesichert. – Das war ein Dokument der Gewissensfreiheit und Gleichberechtigung, das lange nicht seines gleichen fand und schon fast modern anmutet. Autoritär orientierte Geschichtsbetrachtung kann jenes Edikt natürlich auch als Beleg für einen schwachen Herrscher verwenden.

 

Der, historisch betrachtet, große Wurf brachte dem Kurfürsten keine Befriedung und Ehren. Seine Gattin blieb streitbare Lutheranerin und hielt die Mehrzahl der acht gemeinsamen Kinder in Abneigung zum Vater. Im benachbarten Pommern und Sachsen, besonders auch an der Universität Wittenberg, wurden Schmähschriften auf Johann Sigismund, die zu Ungehorsam gegen sein Toleranzedikt ermunterten, verfaßt und mengenweise in Umlauf gebracht. Nicht besser stand es um den Kurfürsten in Preußen, wo ihn der eigene Hofprediger der Ketzerei bezichtigte und man Hilfe bei Jesuiten in Polen suchte. Als der Kurfürst vor Ort zu schlichten versuchte, ließen ihn Geistliche wie Adel seine Ohnmacht spüren indem sie auf einem gegen ihn einberufenen Landtag seine Rechte beschnitten.

 

Tief betrübt, früh gealtert und mit der Aussicht auf einen allgemeinen Krieg, der sich 1618 mit dem "Fenstersturz zu Prag" abzuzeichnen begann, gestand Johann Sigismund seiner nächsten Umgebung, er sei des Lebens satt und müde und wenn sein lieber Gott komme und wolle, so wäre er bereit.

Im Jahr darauf trafen ihn Schlaganfälle, woraufhin er die Regierung seinem Sohn übertrug und sich in das Haus seines Kammerdieners Freitag zurück zog, wo er 2.Januar 1620, 46jährig starb.

 

Kurfürst Johann Sigismund bedarf dringend einer Neubewertung, das nicht nur, weil er konfessionelle Toleranz begründete, die half, die Aufnahme von Hugenotten als einen Akt religiöser Solidarität vorzubereiten. – Wahrscheinlich ist Johann Sigismund der am ehesten verkannte brandenburgisch-preußische Herrscher.

 

 

 

Die Confessio sigismundi

Das Bekenntnis von Kurfürst Johann Sigismund (1572 - 1620) als Reformierter

 

Friedrich der Große und die Religion –  Wohltäter oder Totengräber?

Vortrag von Peter Zimmerling in unserer Kirche anläßlich "300 Jahre Friedrich II."

 

 

    

 

       

 

   

 

   

 

Stand: 19. Februar 2020

 

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