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Günter Rutenborn (1912 - 1976)

.... fesselnder Prediger und Schöngeist unserer Gemeinde

 

von Matthias Weckerling im Gedenkgottesdienst am 30.12.1976

 

Günter Rutenborn wurde am 8.4.1912 in Dortmund geboren, Sohn von Otto und Sophie Rutenborn, ein "müder Spross", wie er selbst gern sagte, "eines alten" (urwestfälischen) "Geschlechts" das seinen Sitz in Haus Rutenborn bei Schwerte an der Ruhr hatte. ... Ab 1930 studierte er in Münster evangelische Theologie. Dies war freilich nicht ganz selbstverständlich, da zu jenem Zeitpunkt seine Neigungen mehr der Musik galten. Nicht zuletzt einem Wunsch seiner Mutter folgend, hat er sich dann doch nicht professionell der Musik zugewandt, blieb ihr jedoch weiterhin aufs äußerste verpflichtet. Wer ihn kannte, wird ihn auch am Flügel sitzend in Erinnerung haben, täglich übend und spielend, komponierend; seine letzte große Liebe galt den Werken des Claude Debussy.

Vom Jahre 1942 an war G. R. in der berlin-brandenburgischen Kirche tätig, nachdem er sich zuvor im Kunstdienst Berlin mit Fragen des Kirchenbaus und der Kirchenbaugeschichte befaßt hatte. Von 1943 bis 1956 war er als Pfarrer in dem Dorf Senske im Havelland tätig. Dort gewährte er zeitweilig auch dem jüdischen Jugendlichen Ralf Neumann Unterschlupf. Und direkt nach Kriegsende waren es an die 100 Dorfbewohner die er vor sowjetischen Soldaten in Schutz nahm. G.R. war von 1956 bis 1967 in der Heilig-Geist-Gemeinde zu Potsdam, seit 1967 bis zu seiner Pensionierung wirkte er am Französischen Dom zu Berlin und als Pastor der Französisch-Reformierten Gemeinde in Potsdam. Daneben erfüllte er von 1972 an die Funktion eines Direktors des Hugenottenmuseums in Ostberlin.

Die Geschichte der Hugenotten in Berlin und der Mark Brandenburg hat G. R. während dieser ganzen Zeit und bis zum Ende seines Lebens stark beschäftigt: Leider konnte er sein Werk über die 300-jährige Geschichte der Hugenotten in Berlin-Brandenburg nicht mehr vollenden ...

Nach 1945 hat die brachliegende Kulturlandschaft im Nachkriegsdeutschland G. R. zu literarischem Tun motiviert: 1946 wurde sein erste Stück "Auferstehung", das sich mit der Situation d es verbannten Dostojewski in Sibirien befaßt, in Oldenburg uraufgeführt; 1947 folgte das Stück "Durst" über die ausweglose Lage von vier notgelandeten Offizieren in der Wüste, ohne Wasser.

Hervorzuheben ist das 1947 entstandene Stück "Das Zeichen des Jona", unter Leitung von Viktor de Kowa in Berlin erstmalig aufgeführt; ein Theaterstück von ungeheurer Wirkung in der damaligen Zeit. Es erfuhr eine gewaltige Verbreitung, wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und ist, um nur ein Beispiel zu nennen, von afrikanischen Studenten 1963 in Liberia aufgeführt worden. In dieser durch das "Zeichen des Jona" mitgeprägten Situation entstand der Gedanke, ein Ensemble von Laien zu versammeln; um eine vornehmlich mit Stücken christlichen Inhalts befaßte Bühne zum Entstehen zu bringen! eine Idee, die sich im Februar 1949 durch die Gründung der Vagantenbühne konkretisierte, als deren geistiger Vater G. R gemeinsam mit Horst Behrend gelten muß.

Daneben schrieb er auch Gedichte, Lyrik, weitgehend unveröffentlicht aber sicher noch heute der Publizierung würdig.

Auch hier in Neukölln hat er noch ein Theaterstück geschrieben: den "Neuköllner Seuchenspiegel", ein Spiel, das auch unter seiner Mitwirkung hier in der Genezareth-Gemeinde in Szene gesetzt worden ist.

1953 erschien die "Biblische Fremdenführung", in der Tat eine Art Baedeker für Bibel-Neulinge, eine Einführung, die insbesondere an die geschichtlichen Schauplätze des AT anknüpft und wohl heute diesen seinen spezifischen Zweck noch ganz erfüllen kann.

Die biblischen Stätten selbst hat G. R. nie gesehen, wohl aber seine Frau Angelika ... um in der Allee der Gerechten, an der Yad Vashem-Gedenkstätte einen Baum zu pflanzen: G. R. ist sicherlich im Geiste mitgereist, als Orientalist, wie es sich versteht, und wie er sich selbst oft apostrophiert hat. So war er, der gut französisch sprach, auch nie in Frankreich. Er hat das Reisen Zuhause, durch das Studium von Literatur und Geschichte, geübt; keiner also von den emsigen Bildungstouristen, die, nach Tucholsky, nichts sehen und doch alles sehen müssen.

Bis zu seiner Pensionierung im April 1975 hat G. R. in der DDR gelebt, in einem Staat, zu dem er nie ein rechtes Verhältnis gefunden hat, es sei denn in den Witzen der Unterdrückten. Gleichwohl ist er dort geblieben und hat ausgeharrt und hat sich nicht, wie viele andere, in den Dienst der satten West-Kirche gestellt.

Vieles aus diesem Leben muß offen bleiben, kann nicht gesagt werden. Das Eindringen in frühere Schichten einer menschlichen Existenz wirft Fragen auf, die wir wohl nicht beantworten können, allerdings gerade nach dem Tode nicht aufhören dürfen zu stellen.

 

Schluß aus "Zeichen des Jona" Evangelisches Gesangbuch - Lied Nr. 284 (Psalm 92)
Aus "Das unvergängliche Wort" Die sonderbare Geschichte der Französischen Gemeinde zu Potsdam - Ein Rückblick 1973
Schluß aus "Auferstehung"

 

 

 

Schluß aus "Zeichen des Jona"

 

Jona: Sehen Sie, meine Damen und Herren, das ist richtig so. Und unser bibelfester Michael würde sagen, "Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang". Ein schrecklicher Anfang, aber immerhin ein Anfang. Aber Sie wissen ja, daß jeder Anfang schrecklich ist. Am Anfang der Welt stand das Chaos, und am Anfang jeder neuen Welt wird ein Chaos stehen. Jede menschliche Geburt ist schrecklich; kann da die Wiedergeburt anders sein? Vielleicht ist Ihnen das heute zum ersten Mal aufgegangen - ein Theater kann eine seltsame Angelegenheit sein. Früher war es sogar ein religiöser Ort. "Theater;" kommt ja aus dem Griechischen, diesmal nicht aus dem Hebräischen; und im Griechischen heißt "theos" Gott. Theos und Theater kommen wohl beide von "theaomai", was "sehen", "schauen" bedeutet. Es kann daher nicht verwundern, wenn einem im Theater die Augen auf- oder übergehen. – Na, Sie sind jetzt nicht mehr so frisch wie am Anfang und wollen zu den Garderoben, Vielleicht denken Sie noch ein wenig über diesen Punkt nach. Denken heißt ja Gnade finden, und wenn Sie diese erfahren, so wird es Ihnen gar nicht so schrecklich sein, weiterleben zu müssen. Also, versuchen Sie es mal und empfehlen Sie unser kleines Stück freundlich weiter; und nun recht angenehmen Heimweg. Drängeln Sie nicht so in den Garderoben, es kommt ja kein Alarm mehr!

 

 

 

Aus "Das unvergängliche Wort"

Andacht 2. Sonntag nach Epiphanias

 

Aber es ist ein Unterschied zwischen Hell und Dunkel, wenn das Licht kommt. Die hellen Dinge leuchten weiter, die dunklen werfen das Licht nicht zurück. Im Lichte des Evangeliums wird so auch das Versagen der Menschen, auch wenn sie Christen sind, offenbar. Man merkt es den Mahnungen des Apostels an: Da gibt es falsche Weissagung, Vernachlässigung des Amtes, törichte Lehre, unterbliebene Ermahnung und Schweigen zu bösen Dingen, wo geredet werden müßte, hinterhältige Wohltat, die nicht einfältig gibt, sondern Menschen listig kaufen möchte, verlogene Freundlichkeit, Lust am Bösen, Trägheit d es Herzens, Ungeduld gegen Menschen und Schicksale, ja sogar Verzweiflung und das Verstummen des Gebetes. Da verhärtet man sich gegen die Not umher und will die Aufgabe nicht sehen. Es kommt sogar so schlimm, daß noch geflucht wird, wo gesegnet werden sollte; ein Mensch wird dem andern zum Feind, zum Teufel, zum Henker.

So soll es bei Christen nicht sein. Die Worte des Apostels sind gewißlich ermunternde Worte, aber sie halten auch zum Ernst an. Die Welt ist in Not, und diese Not kann man gar nicht schwerer genug nehmen. Darum sollen Christen ihr Amt, Zeugen des Lichtes der Erlösung zu sein, auch ernst nehmen. Mit Pfuschwerk und halber Hilfe ist nichts getan. Soll der Welt geholfen werden, so muß die Weissagung dem Glauben gemäß sein und mit reinen Händen gegeben werden; es muß mit Sorgfalt regiert werden. Lieben kann man nicht mit halben Herzen, dann ist es keine Liebe mehr. Halbes Tun ist immer schon ganzes Versagen. Darum müssen wir unsere Möglichkeiten ganz nutzen, sonst haben wir sie Überhaupt nicht genutzt.

Ein frommer Mensch hat festgestellt, es sei heute so viel Armut und Not, daß wir alle Heilige werden könnten, so viel Gelegenheit gebe es zu guten Werken. Hier liegen unsere Aufgaben als Christen. Denn wenn über die Welt die Schalen des Zornes ausgegossen sind, so ist über uns ausgeschüttet das Licht der Gnade. Vom Himmel her strömt das göttliche Licht von Stufe zu Stufe, von Gott zu Christus, dann zu den Aposteln, über die Ämter der Kirche zur Gemeinde, von der Gemeinde in die Welt. Jeder steht an seinem Ort wie in einer Kette, die bei einem Brande die Wassereimer weiterreicht: Weitergeben! Weitergeben! Denn die Not ist groß bei den Niedrigen.

 

 

 

Schluß aus "Auferstehung"

 

Major (zu Fjodor): Du aber sei der Sprecher aller Gequälten, aller armen Leute, der Mörder, der Huren, der Erniedrigten, der Beleidigten, der Leid tragenden! Sprich für uns!

Fjodor: Ja, ich will Euer Sprecher sein: (auf die Leichen blickend und auf die Fesseln weisend.) Alles fällt einmal von uns ab, was uns bedrängte und verwirrte. Noch ringen Schuld und Sühne miteinander, aber das Dunkel weicht zurück. Schon ist die göttliche Gnade bei den Ausgestoßenen, schon sind die Verlorenen gefunden. Ich aber bin ein Dichter, ich bin begnadigt. Ich darf leben und bin aus der Tiefe des Todes und der Hölle emporgestiegen. Ich trage Schwindsucht und Fallsucht, Schwermut und böse Plage, aber seine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Ihr Leidtragende meines Volkes, Ihr Leidtragenden aller Welt, hört ihr nicht? Ich will Euer Sprecher sein, ich will Eure Tränen trocknen, ich will für Euer Recht streiten, und

Ihr sollt nicht länger zertreten sein! Mein Vaterland, Heimat des Leidens! Nacht und Tod gehen schmerzend über Dich, aber ich rufe über Dir aus das alte heilige Wort des Lebens, das Wort der Begnadigung, das in Vollmacht auf meine Lippen gelegt wurde, das mit Feuer in meine Seele geprägt wurde. Es soll auch diese Nacht überwältigen: Der Herr ist auferstanden, Er ist wahrhaftig auferstanden!

 

 

 

Evangelisches Gesangbuch - Lied Nr. 284 (Psalm 92)

 

Text: Günter Rutenborn (1971) 1983 nach dem ungarischen

Mely igen jó az Ur Istent dicsérni von Mihály Sztárai (vor 1575) 1593

Melodie: 16 Jh., Leutschau(?) 1651

 

1. Das ist köstlich, dir zu sagen Lob und Preis!

Deine Güte, von der ich zu singen weiß,

deinen Namen, Allerhöchster, rühm ich gern;

überall will ich verkünden: Lobt den Herrn

 

2. Morgens jauchz ich: Deine Gnade ist mein Lied.

Und die schönsten Instrumente tönen mit:

noch zur Nachtzeit leuchtet deine Wahrheit mir,

deiner Ehre dient mein armes Lied zur Zier.

 

3. Wunderbar ist's wie du täglich Trost gewährst,

der du uns mit deiner Hände Schöpfung ehrst;

du schufst alle deine Werke uns zugut,

und ich bin geborgen stets in deiner Hut.

 

4. Wie ein Palmbaum grün und kräftig werd ich stehn,

wachsen werd ich wie die Zeder auf den Höhn

und dem Sturme trotzend leben in der Welt.

Denk an Gott nur und vergiß nicht, wer dich hält!

 

 

 

Die sonderbare Geschichte der Französisch-Reformierten Gemeinde Potsdam   

Gerd Rutenborn

 

 

 

    

 

       

 

   

 

   

 

Stand: 19. Februar 2020

 

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