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Francois Le Tanneux de Saint Paul (1634 - 1686)
    Guillaume de Saint Paul (1722 - 1797)
    Wilhelm Sankt Paul (1776 - 1850)

.... Spuren von drei Generationen in Potsdam

 

Friedhild Anders

Die Familie Saint Paul

 

"...die Annalen der Stadt werden den letzten 35 Jahren goldene Blätter widmen...", diese Worte galten 1844 dem Oberbürgermeister von Potsdam anlässlich seiner Verabschiedung. Wilhelm Saint Paul konnte auf ein 35jähriges Wirken für das Wohl der Stadt zurückblicken. Als Mann der ersten Stunde hatte er mit Einführung der Steinschen Städtereform in Potsdam im Jahre 1809 Neuland betreten.

 

Der Emigrant - Francois Le Tanneux de Saint Paul

Wilhelm Saint Paul war der Urenkel des französischen Einwanderers Francois Le Tanneux de Saint Paul und der Sohn des Richters und Hofrats der französischen Kolonie in Potsdam, Guillaume de Saint Paul.

Die Heimat der Vorfahren von Wilhelm Saint Paul lag in der Bretagne in Frankreich. [...]

 

Noch vor 1666, verließ Francois Le Tanneux de Saint Paul seine Heimat und ging nach Heidelberg. Diese Stadt hatte bereits eine lange Tradition in der Aufnahme von französischen Auswanderern. Geboren wurde Francois de Saint Paul in Rennes in der Bretagne am 16.9.1634. Er hatte studiert und es bis zum magister artium an der Pariser Sorbonne gebracht. Als magister artium oder auch magister artium liberalis (Magister der freien Künste) besaß Francois de Saint Paul einen akademischen Grad an der philosophischen Fakultät und das Recht, Vorlesungen zu halten. Der magister artium ist dem Doktortitel vergleichbar und bedeutete gleichzeitig die Möglichkeit, weiter Vorlesungen der Universitätsprofessoren zu hören. Aber Francois war Hugenotte. Er bekannte sich zum reformierten Glauben. Vielleicht reichte allein schon das, ihn mit Berufsverbot zu belegen. Vielleicht hatte er aber auch in seiner Lehre Kritik am katholischen absolutistischen Staat geübt und war dadurch in Kollision mit diesem Staat geraten. Wir wissen es nicht. Ohne Druck und Notwendigkeit hat er aber sicher nicht seine Existenz in Paris aufgegeben.

 

Als Friedrich Wilhelm im Potsdamer Stadtschloß 1685 seine Unterschrift unter das berühmte Potsdamer Edikt setzte, war Francois Le Tanneux de Saint Paul schon 13 Jahre am Hof des Kurfürsten.

Interessant ist natürlich die Frage, wie er ausgerechnet nach Berlin gekommen war. Aus seiner Heidelberger Zeit ist bekannt, dass er sich 1666 in das Universitätsmatrikel eingetragen hatte. Er hörte also weiterhin Vorlesungen. Ein Jahr später heiratete er Marguerite d´Aumont. Aus dem Jahr 1669 ist die Eintragung der Taufe seines 3. von insgesamt 13 Kindern überliefert. Als Beruf ist im Taufregister französischer Sprachmeister angegeben. Auch am Hof des Großen Kurfürsten wurde Francois de Saint Paul Sprachmeister. [...]

Bereits im Jahr seiner Ankunft am Hof des Großen Kurfürsten gehörte Francois Le Tanneux de Saint Paul in Berlin zu den Gründern der ersten französischen Kirche.[...] Der Gottesdienst wurde im Zimmer des Kammerherrn von Pöllnitz im Marstall in der Breiten Straße von Berlin abgehalten.

Aber schon 1678, also 6 Jahre später, verließ Francois Le Tanneux de Saint Paul diese Kirchengemeinde. Er hatte einen heftigen Streit mit dem Konsistorium der Friedrichstadt-Kirche wegen der Aufstellung einer für ihn reservierten Bank. Die Taufen seiner 5 danach geborenen Kinder sind nicht mehr im dortigen Kirchenbuch eingetragen. [...]

 

1686, im Alter von nur 52 Jahren, starb Francois Le Tanneux de Saint Paul. Drei Monate vor seinem Tod wurde sein 13. Kind geboren. Seine Witwe überlebte ihn nur 11 Jahre. Wie sie ein Auskommen fand für sich und die Kinder ist nicht bekannt.

Den Jüngsten hat es später als königlichen Stallmeister an den englischen Hof verschlagen. Der Drittjüngste, er war noch nicht ganz fünf Jahre alt beim Tod des Vaters, wurde zuerst Marinearzt in Stockholm, lernte dort seine Frau kennen, sie war seine Cousine, und ließ sich dann in Halle nieder als Chirurgus. Dort wurde 1722 sein Sohn Guillaume geboren, der spätere Hofrat und Richter in der französischen Kolonie in Potsdam.

[...] Jeder Kolonie war ein französischer Richter zugeteilt, der gleichzeitig als Direktor der Kolonie die Verbindung zur übergeordneten Behörde in Berlin innehatte.

 

Der Richter der Französischen Kolonie - Guillaume de Saint Paul

Der Richter war zuständig für Prozesse und musste den Treueid abnehmen, wenn sich Réfugiés in der Stadt niederlassen wollten. Die Zuständigkeit des französischen Richters erstreckte sich auf Streitigkeiten zwischen Franzosen. Aber auch, wenn ein Deutscher ein Mitglied der französischen Kolonie verklagte, war der französische Richter zuständig. Er verlor seine Kompetenz, wenn ein Franzose gegen einen Deutschen klagte. Dann musste der Franzose vor dem deutschen Richter erscheinen. Für seine Arbeit durfte der französische Richter keine Gerichtskosten oder andere Gebühren verlangen.

Die eigene Gerichtsbarkeit einer doch relativ kleinen Kolonie in einem städtischen Gemeinwesen war sicher nicht immer unproblematisch. Friedrich der Große schränkte 1751 in einer Ordre an den Potsdamer Bürgermeister Voß die richterlichen Befugnisse wieder ein und erweiterte die der Polizei-Direktion. Nur noch zivile und keine strafrechtlichen Affären wurden vom Richter behandelt.

Friedrich der Große bemerkte offenbar in der von ihm bevorzugten Residenzstadt Potsdam noch zu wenig Bürgerdisziplin. 1776 verordnete er die Bildung eines besonderen Polizei-Direktoriums aus Magistratsmitgliedern. Auch der Richter der französischen Kolonie erhielt einen Sitz im neuen Polizei-Direktorium.

So nahm der französische Richter Guillaume de Saint Paul unmittelbar Anteil am städtischen Leben von Potsdam und legte vielleicht seinem erstgeborenen Sohn das Interesse daran mit in die Wiege.

 

Guillaume de Saint Paul war 1722 geboren worden. 1739 begann er an der Universität seiner Geburtsstadt Halle mit einem Jura-Studium. Von der Zahlungspflicht hatte ihn die Universität befreit. Als Chirurgus und Familienoberhaupt von insgesamt 8 Kindern war Guillaumes Vater sicher nicht in der besten finanziellen Lage.

Drei Jahre studierte Guillaume de Saint Paul. Nach dem Studium erhielt er eine Stellung als Privatsekretär u.a. bei Feldmarschall von Schmettau.

Wie aber kam er dazu, sich in Potsdam für das Richteramt zu bewerben? Woher wusste er, dass diese Stelle vakant war?

Die Nachrichtenübermittlung im 18. Jahrhundert, dem Zeitalter der Postkutschen und Kuriere, kann man kaum vergleichen mit unserer heutigen Zeit. Kannte Guillaume de Saint Paul jemanden in Potsdam? Einen Hinweis darauf findet man in der Ahnenforschung einer anderen Hugenottenfamilie. Die Coulons waren ebenfalls in Potsdam ansässig. Durch Heirat werden sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts mit den Saint Pauls verwandt sein. Ein Ahnenforscher der Coulons hat herausgefunden, dass zwei Cousins von Guillaume de Saint Paul in Potsdam tätig waren - einer mit dem Titel Geheimrat und einer als Stadtsekretär. Leider lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen, woher diese Angaben stammen. Viel eher ist vorstellbar, dass Guillaume de Saint Paul als Privatsekretär schon längere Zeit in Berlin ansässig war, so dass er Informationen über vakante Stellen schneller erhalten konnte. Die Nachricht, dass sich der alte und kranke Richter der französischen Kolonie in Potsdam, Prevot, an den König wenden würde mit einer Bitte um Ablösung lag sozusagen in der Luft.

Auf Befehl des Königs musste sich Guillaume de Saint Paul einer Eignungsprüfung beim Obersten französischen Gericht in Berlin unterziehen, sozusagen ein ausführliches Vorstellungsgespräch führen. Das Protokoll darüber vom 10. September 1754 verzeichnet eine große Zufriedenheit über alle Antworten, aber auch den Hinweis, dass er sich in der Praxis noch perfektionieren müsse, da er noch nicht über Praxis-Erfahrungen verfüge.

Zehn Tage später bewarb sich Guillaume de Saint Paul in einem persönlichen Schreiben, in Berlin verfasst, an den König. Sein Brief trägt das Datum des 20. September. Am 1. Oktober wurde in Potsdam der Brief dem König vorgelegt, möglicherweise im Schloss Sanssouci. Der König hielt sich meist von April bis November dort auf.

[...] Am 13. Oktober erhielt er das königliche Patent für das Richteramt in Potsdam. Ganz umsonst war dieser glückliche Ausgang nicht. Guillaume de Saint Paul musste noch 87 Reichstaler und 12 Groschen an die Königliche General-Chargen-Casse zahlen, wie eine Urkunde darüber vom 30. Oktober 1754 aussagt. Diese Gebühr war zu entrichten für die vom König erhaltene Bestallung als Richter. In der Urkunde wird die Höhe der jährlichen Besoldung von 350 Reichstalern, zu zahlen aus dem französischen Etat, mitgeteilt. [...]

 

1760 erbat Guillaume de Saint Paul beim König den Hofratstitel. Das war am 22. November. Schon am 8. Dezember wurde der Antrag Friedrich dem Großen vorgelegt. Wieder schrieb der Kabinetts-Sekretär eine kurze Entscheidung an Danckelmann. Am 19. Dezember 1760 übermittelte Etatminister von Danckelmann die Anwort des Königs, "...daß es jetzo nicht Zeit sei Allerhöchst Sr Königl. Majestäth dergleichen Vortrag zu thun, Supplicant sich gedulden müsse, bis bei gelegenen Umständen allerunthgste (alleruntertänigste) Vorstellung in seinem faveur (Sinne) geschehen könne ..." Die Zeitumstände waren wirklich nicht günstig. Friedrich der Große befand sich im Siebenjährigen Krieg. Sofort nach dem Krieg, also 1763, wiederholte Guillaume de Saint Paul sein Gesuch. Jetzt wurde ihm der Titel Hofrat bewilligt, was ihn wiederum eine Gebühr bei der General-Chargen-Casse kostete, diesmal 141 Reichstaler.

Mit seinen Einnahmen war er durchaus in der Lage, eine Familie zu ernähren. In den jährlich zu erstellenden Kolonie-Listen, die Guillaume de Saint Paul als Richter abzuzeichnen und nach Berlin zu schicken hatte, wurde er bis 1786 als ledig geführt. Aber schon 1775 war ihm eine Tochter geboren worden, Wilhelmine Frédérique. Zwei Söhne, Guillaume und Charles, folgten. Der ältere Sohn wird später der Oberbürgermeister von Potsdam sein. Die Mutter der drei Kinder war die Witwe Augustine Sophie Krüger, eine geborene Camrad. Sie war französischer Abstammung. Aber aus einer Liste des Pfarrers der französischen Gemeinde geht hervor, dass sie zu den Gemeindemitgliedern gehörte, die nicht mehr französisch sprechen konnten und deshalb den Gottesdienst in deutscher Sprache hören durften.

Möglicherweise musste der Hofrat und Richter Guillaume de Saint Paul eine Heiratserlaubnis des Königs erbitten. Friedrich der Große muss sie ihm verweigert haben. Eine nur deutschsprechende Witwe war ihm vielleicht nicht standesgemäß genug. So wurden alle drei Kinder unehelich geboren. Guillaume de Saint Paul ließ sie aber unter seinem Familiennamen Saint Paul in das Taufregister eintragen. Friedrich der Große war am 17. August 1786 gestorben. Schon am 3.September heiratete Guillaume de Saint Paul die Witwe Krüger. Die Hochzeit war eine Haustrauung.

 

Eine Episode aus der Amtszeit des Richters Saint Paul ist überliefert. 1787 bestellte Professor Dantal von der hiesigen Ingenieur-Akademie sein Aufgebot. "Eine Amalie Nuglisch, ´wohnhaft in Berlin hinter der Petrikirche in Fischernschen Hause´, erhob dagegen feierlich Einspruch und verlangte einhundert Stück Ducaten Abstand. Der lutherische Pfarrer, an den sie sich ebenfalls gewendet hatte, bat um Aufschub der Trauung, aber der Richter der Colonie, Saint Paul, verfügte: Da sie ihn nicht heiraten, sondern nur Geld haben will, kann die Trauung stattfinden."

[...] Guillaume de Saint Paul schied mit 71 Jahren 1793 aus dem Amt. In der Kirchengemeinde blieb er aktiv. Noch 1796 ließ sich seine Unterschrift unter die Abrechnung der Kirchenkasse feststellen.

Der Hofrat und Richter starb am 14. April 1797, im Todesjahr des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II., an der Brustentzündung. Er war 75 Jahre alt geworden. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Bornstedter Friedhof. [...]

 

Der Oberbürgermeister - Wilhelm Sankt Paul

Das Wirkungsfeld des ersten Saint Paul erstreckte sich auf den Hofstaat des Großen Kurfürsten, das des zweiten Saint Paul auf die doch relativ kleine französische Kolonie in Potsdam. Der dritte Saint Paul übernahm Verantwortung für die gesamte Stadt Potsdam. Wilhelm Saint Paul wurde 1821 Oberbürgermeister. Ganz bewusst hatte er sich entschieden, auf den Adelstitel in seiner Amtstätigkeit zu verzichten. Auch das Französische in seinem Namen war verschwunden. Bereits die Generation seines Vaters verwendete die deutsche und die französische Schreibweise.

 

1776 geboren, hatte er nach dem Schulbesuch das Jura-Studium folgen lassen - fast schon Familientradition.

1806 - im Alter von dreißig Jahren - begegnet er uns in den Quellen wieder. Er war Regiments-Quartiermeister und Auditeur beim Grenadier-Garde-Bataillon und wohnte in der Breiten Straße beim Brauer Kuhlmey. [...]

Außerdem war er erster Assessor beim französischen Kolonie-Gericht. Jeden Freitag wurde Gerichtstag gehalten in der Wohnung des Kolonie-Direktors und Richters Carl Heinrich Tollin.

 

1806 wurde ein Schicksalsjahr für Preußen und ein Lebenseinschnitt für Wilhelm Saint Paul. Bevor es zur katastrophalen Niederlage der preußischen Truppen gegen Napoleon bei Jena und Auerstedt kam, wurde Wilhelm Saint Paul mit seinem Regiment nach Rostock versetzt. Dort verliebte er sich in Friederike Wilhelmine Stenger, die als Siebzehnjährige in einem Mädchenpensionat erzogen wurde. Noch im gleichen Jahr hielt er in ihrem Elternhaus in Lindow in der Mark um ihre Hand an und heiratete sie.

Die Familiengründung stand politisch unter keinem guten Stern. Napoleons Truppen hatten für zwei Jahre die Stadt besetzt. Potsdam wurde Hauptkavallerie-Depot und musste zeitweise 12 000 Pferde und 6 000 französische Soldaten aufnehmen und versorgen. Der Lange Stall, die Heiligengeistkirche und die Französische Kirche wurden Pferdeställe bzw. Fourage-Magazin, also Proviant-Depot. [...] Gleichzeitig begann eine Zeit der Reformen. Am 19. November 1808 trat die Steinsche Städtereform in Kraft, eine auf die Selbstverwaltung der Städte ausgerichtete Reform. Im darauf folgenden Jahr, am 12. März 1809, wählten die Bürger Potsdams erstmals 60 Stadtverordnete und 24 Stellvertreter.

Am 3. August, dem Geburtstag von Friedrich Wilhelm III., wurde der neue Magistrat eingeführt, natürlich mit entsprechendem Ritus - einem Festgottesdienst in der Garnisonkirche und einem großen abendlichen Ball im Schauspielhaus am Kanal mit mehr als 900 Teilnehmern. Der Magistrat wurde von den Stadtverordneten gewählt und bestand aus dem Oberbürgermeister, einem Bürgermeister, einem Syndicus, einem Kämmerer, dem Baurat und zwölf unbesoldeten Stadträten. [...]

Im Zuge der Städtereform wurde die französischen Kolonien aufgelöst. Nur die französisch-reformierten Kirchengemeinden blieben bestehen.

 

Wilhelm Saint Paul wurde Stadtrat und Syndicus von Potsdam. Als Syndicus war er zuständig für die juristischen Angelegenheiten der Stadt. Seinen Dienst in der preußischen Armee hatte er quittiert.

Das Amt des Oberbürgermeisters übernahm Kriegsrat Jacob Brunner. Er war einer von drei Kandidaten, die nach der Städteordnung dem König vorgeschlagen werden mussten. Obwohl für Wilhelm Saint Paul 36 Stadtverordnente gestimmt hatten, also die Mehrheit, entschied sich Friedrich Wilhelm III. für den ehemaligen Stadt- und Polizeidirektor Brunner. Vielleicht war ihm Wilhelm Saint Paul mit seinen 33 Jahren zu jung für dieses Amt. Erst nach zwei Amtsperioden von jeweils sechs Jahren wurde Wilhelm Saint Paul 1821 Oberbürgermeister von Potsdam.

Übrigens konnten nicht alle Potsdamer an der Wahl zur Stadtregierung teilnehmen. Frauen waren ganz ausgeschlossen. Wahlberechtigt waren nur die männlichen Bürger. Um Bürger Potsdams zu sein, waren die Erwerbung des Bürgerrechts und die jährliche Zahlung eines Bürgergeldes notwendig. In einer Urkunde, dem Bürgerbrief, legte der Bürger einen Eid ab, sich sittlich zu betragen und das Gemeinwohl zu achten und zu fördern. 1809 besaßen von den 13 758 Einwohnern Potsdams 1 500 das Bürgerrecht. Die anderen Einwohner Potsdams wurden als Schutzverwandte bezeichnet.

Wie kam es zu dem hohen Ansehen des mit 33 Jahren noch sehr jungen Wilhelm von Saint Paul, so dass die Stadtverordneten ihn schon 1809 mehrheitlich für das höchste Amt in ihrer Stadt vorgeschlagen hatten? Vermutlich gehörte er dem Bürgerkomitee an, das sich während der französischen Besatzungszeit gebildet hatte als städtischer Vermittler zur Besatzungsmacht und helfende Hand für die Bewohner.

Wilhelm Saint Paul, dessen Leben mit dem Jura-Studium und der Anwärterschaft auf die Stelle eines Richters vorgezeichnet schien, erlebte in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts eine politische und persönliche Umbruchsituation. Die Städtereform ermöglichte der Stadt Potsdam, die in besonderem Maße am Gängelband des Königshauses hing, eine bisher nicht erlebte Selbständigkeit. Wilhelm Saint Paul war von der ersten Stunde an dabei.

Auch schon als Syndicus und Stadtrat übernahm Wilhelm Saint Paul häufig die Vertretung für den Oberbürgermeister Brunner, so dass es nicht verwunderlich war, dass er 1821 vom König dann selbst als Oberbürgermeister bestätigt wurde.

In dieser Funktion hatte er in der Residenz- und Garnisonstadt Potsdam sicher kein leichtes Brot. Wilhelm Saint Paul war der Repräsentant der Stadt am königlichen Hof. Bei jeder Gelegenheit, und sei es nur die Ankunft des Königs nach längerer Abwesenheit, gehörte eine Begrüßung durch den Oberbürgermeister dazu.

Aber an erster Stelle war er Mittler zwischen den Stadtverordneten und dem Magistrat, der die von den Stadtverordneten beschlossenen Richtlinien auszuführen und Rechenschaft zu geben hatte. Besonnenes Handeln war erforderlich für die Umsetzung der Städtereform, die 1808 ja nur auf dem Papier formuliert worden war. Die entstehende Selbstverwaltung brauchte mündige und tätige Bürger. Und die Stadt brauchte Geld. Die wichtigsten Aufgaben bestanden also darin, den wirtschaftlichen Aufschwung anzukurbeln, das Bildungswesen zu verbessern und ein Verantwortungsgefühl für die Stadt bei den Bürgern zu erzeugen.

Das größte Problem für Potsdam bestand in der unermesslich hohen Verschuldung als Folge französischer Besatzung und der Kontributionsforderungen. Viele Bürger waren verarmt. Die Befreiungskriege hatten viele Witwen und Waisen hinterlassen. Noch 1816 gab es in Potsdam unter den rund 17 000 Einwohnern 6 000 Arme. Das heißt, ein Drittel der Stadtbewohner konnte sich nicht selbst ernähren und musste von der Stadt versorgt werden. Die Schaffung von Wohlfahrtseinrichtungen stand deshalb im Mittelpunkt. Die Wohlfahrt allerdings bedarf der Spenden. Dazu mussten Bürger in der Stadt leben, die finanziell zum Spenden in der Lage waren. Viele Handwerker, die von der immensen Bautätigkeit der preußischen Könige profitiert hatten, waren verarmt. Zwischen 1806 und 1817 wurden keine Bürgerbauten oder Reparaturen aus dem königlichen Immediat-Bau-Fond errichtet. Das besondere Interesse der Stadtführung bestand deshalb darin, zahlungskräftige Bürger nach Potsdam zu holen, der Stadt ein neues Image zu geben.

Noch 1809 wurde entsprechend der schon früher vorgetragenen Bitte der Potsdamer Stadtväter die Kurmärkische Regierung nach Potsdam verlegt. "Derselben wurden... das am Lustgarten in der Priesterstraße belegene und die beiden daran stoßenden Häuser angewiesen." 1817 folgte die Oberrechnungskammer. Das hatte den Zuzug von über 300 z.T. wohlhabenden Familien zur Folge. Wilhelm Saint Paul verzeichnete in der von ihm eigenhändig verfassten Chronik 1836 17 Zivilverwaltungs-, Justiz- und Militärbehörden in Potsdam. Damit hatte Potsdam zu seinen Funktionen als Residenz- und Garnisonstadt noch eine dritte übernommen, die der Beamtenstadt.

 

Über welche Möglichkeiten verfügten Stadtverordnete und Magistrat und an ihrer Spitze der Oberbürgermeister Wilhelm Saint Paul, um der großen Armut in der Stadt Herr zu werden?

An erster Stelle sind hier die Steuerreformen zu nennen. Die in die Stadtkasse fließenden Mittel reichten allerdings nicht, da über Jahrzehnte die Schuldenlast aus französischer Besatzungszeit und Kontributionsverpflichtungen abgezahlt werden mussten. Armenhilfe leisten konnten sonst nur noch die einzelnen Bürger und Wohltätigkeitsvereine und -einrichtungen der Stadt sowie die Armen-Kommission der Stadtverwaltung.

[...] Das dritte umfangreiche Tätigkeitsfeld in der Amtszeit von Wilhelm Saint Paul war das Schulwesen. Wie wichtig ihm dieser Bereich war, zeigt sein Ausspruch zum 25jährigen Regierungsjubiläum Friedrich Wilhelms III. im Jahre 1822: "...am höchsten und heiligsten feiere man den Tag dadurch, daß am 16. November die Schule in der Teltower Vorstadt eröffnet werde."

[...] In die Amtszeit von Wilhelm Saint Paul fiel der zweimalige Ausbruch der Cholera 1831 und 1837. Umfangreiche Vorkehrungen verhinderten beide Male die unkontrollierte Ausweitung der Seuche. Zwischen dem 27.9. und dem 18.11.1831 starben 40 von 51 Erkrankten. 1837 wütete die Cholera vom 22.8. bis zum 19.10. und raffte 116 von 156 infizierten Einwohnern hinweg.

Während der ersten Cholera-Epidemie wurde am 18. Oktober 1831 im hermetisch von der Stadt abgeschirmten Neuen Palais der spätere Friedrich III. geboren, der 99-Tage-Kaiser.

Wilhelm Saint Paul war persönlich betroffen von dem Wüten der Cholera. 1832 brach die Cholera in Halle aus. Dort studierten seine beiden Söhne Wilhelm und August. Der jüngere August steckte sich an und starb.

Wilhelm Saint Paul begleitete als Stadtoberhaupt das Entstehen der Potsdamer Kunst- und Kulturlandschaft unter Karl Friedrich Schinkel, Ludwig Persius und Peter Joseph Lenné. Er sah den Bau der Langen Brücke (1824/25), die erste Phase der Zuschüttung des Bassinplatzes (1825), "...wobei ein Wagen mit 2 Pferden im Sumpfe versank". 1826 erlebte er die Grundsteinlegung für den Neubau des Prediger-Witwenhauses, das 1666 vom Großen Kurfürsten gestiftet worden war. 1830 begann der Wiederaufbau der Nikolai-Kirche. Die erste Eisenbahn im preußischen Staat fuhr von Zehlendorf nach Potsdam am 18. September 1838.

 

Wilhelm Saint Paul war von 1821 bis 1844 Oberbürgermeister. Im 68. Lebensjahr bat er den König um Pensionierung aus gesundheitlichen Gründen. Fast vier Amtsperioden von jeweils sechs Jahren als Oberbürgermeister lagen hinter ihm. 23 Jahre war er im höchsten Amt der Stadt. 35 Jahre insgesamt hatte Wilhelm Saint Paul für das Wohl der Stadt gewirkt. Zum 25jährigen Berufsjubiläum war er mit dem Titel Geheimer Regierungsrat geehrt worden.

Anläßlich seiner Pensionierung bereiteten die Stadtverordneten und der Magistrat für ihn eine außergewöhnliche Verabschiedung vor.

Am 30. September 1844 wurde Wilhelm Saint Paul in den großen Rathaussaal geleitet, wo er als Erinnerung Ehrengeschenke in Empfang nahm. Das erste war eine silberne Fruchtschale in der Form einer antiken Opferschale, innen vergoldet und mit einem Durchmesser von 16 Zoll (etwa 60 cm).

"Noch bedeutungsvoller ist das zweite Geschenk einer Bürgerkrone (Corona Civis). Diese bestand bei den alten Römern nur aus einem Eichenkranze, welchen die Republik ihren, um die Rettung ihrer Mitbürger verdientesten Bürgern votirte. Diese Bürgerkrone aber, wie sie hier dem vieljährigen Vertreter der Stadt geweiht wurde, hat zwar auch zu ihrer Grundlage den Kranz von Eichenlaub, aber aus diesem erhebt sich die Corona Muralis, jene Mauerkrone, welche im classischen Alterthum nur die Götterbilder der Rhäa und Cybele trugen. Beide Göttinnen aber wurden als die Fruchtbringenden verehrt, die Cybele besonders als die Städteerbauerin und so bedeutet dieses Symbol der aus dem Eichenkranz aufsteigenden Mauerkrone die Stärke und Blüthe einer Stadt und die Festigkeit ihrer Institutionen, wie sie aus wahrer Bürgertugend entsprungen und auf diese gegründet ist." Mit dunkelviolettem Samt ausgeschlagen und auf einem ebensolchen Kissen liegend, war innen eine vergoldete Tafel angebracht mit der Inschrift: "Dem kräftigen Vertreter des Bürgerstandes, dem weisen Leiter des städtischen Gemeinwesens, dem echten Bürgerfreunde, Herrn Oberbürgermeister Geheimen Regierungsrath St. Paul, weiht dieses Symbol aller Bürgertugenden die dankbare Stadt Potsdam am 30. September 1844."

Beide Ehrengeschenke hatte Ludwig Persius entworfen. Er war nicht nur der Architekt des Königs, sondern auch Ober-Baurat der Stadt Potsdam und in dieser Funktion bestens mit dem Oberbürgermeister bekannt.

Am Nachmittag fand ein Festessen zu Ehren des Oberbürgermeisters im Schützenhaus auf dem Brauhausberg statt, an dem insgesamt 120 Personen teilnahmen - neben den Stadtoberen auch die Armenkommission, die Armenpfleger, die Geistlichen, unter ihnen Bischof Eylert, und die Schulkommission. In einem Rückblick auf die Amtszeit von Wilhelm Saint Paul wurden die wichtigsten Aspekte seines Wirkens hervorgehoben: "...die Annalen werden den letzten 35 Jahren goldene Blätter widmen; sie werden des hochverdienten Mannes gedenken, welcher der Städteordnung eine liebevolle Aufnahme bereitete und sie eng mit unseren Institutionen zu verschmelzen wußte; sie werden ehrend hinweisen auf den Schöpfer unserer bis zur Durchsichtigkeit klaren Geschäftsverwaltung; sie werden den Ordner unserer Kommunalsteuer-Verfassung, und vor allem dem Regenerator unseres städtischen Armenwesens die verdiente Anerkennung gewähren;"

Den Abschluss dieses Tages bildete ein spontan improvisierter Fackelzug, in dem Wilhelm Saint Paul von Bürgern und Bürgervertretern nach Hause geleitet wurde.

Nach seiner Pensionierung siedelte Wilhelm Saint Paul nach Berlin über und starb dort am 3. Juni 1850.

 

 

Grabstein des Hofrats und Richters Guillaume de Saint Paul auf dem Friedhof in Bornstedt.       Foto: K. Arlt

 

Inschrift:

Hier ruhen die Gebeine

des seligen Hofraths

Wilhelm Saint Paul

Er war gebohren den 15.März 1722

und starb den 14.April 1797.

Sanft ruhe seine Asche

und Seligkeit

sei seiner Rechtschaffenheit Lohn

Zum Andenken des guten

Gatten

und Vaters

von seiner Witwe

geweiht.

 

Rückseite:

Sein Leben war

dem der ihn schuf

geweihet früh und spät

Sein Thun war

Treue im Beruf

Sein letztes

Wort

Gebet.

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aus: Mitteilungen der Studiengemeinschaft Sanssouci e.V. (1997) H.2, S.5ff (gekürzt, ohne Quellenangaben)

 

 

 

    

 

       

 

       

 

   

 

Stand: 19. Februar 2020

 

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